Chris
Mennel |
Essay |
Ein langes Essay kurz vor Weihnachten 2011 darüber, dass ich keine Blogs schreibe
Wer ab 2000 im
Internet veröffentlichte, nannte das „Blog". Ich betrachte das „Blog" als
eine Art um sich blickendes Tagebuch. Es geht auf das ein, was dem Blogger
aktuell begegnet, ist zu etwa einem Drittel für ihn selbst geschrieben und
will zu zwei Dritteln von Besuchern gelesen werden.
Wikipedia lässt jede Art von Inhalt im Blog gelten - „ein Tagebuch oder Journal, in dem eine Person Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert oder Gedanken niederschreibt." Offener geht es ja nicht. Der Platz „Web" und die Form „Logbuch" bestimmen das Blog: „eine lange, abwärts chronologisch sortierte Liste von Einträgen, die in bestimmten Abständen umbrochen wird." Meine Mitwelt war sozusagen beruhigt und schob meine Internetpräsenzen in eine ihr sympathische Schublade, wenn ich ab 2007 sagte: "Ich betreibe ein Second-Life-Blog". Und ab 2011: "Ich blogge als Künstler". Ins Tagesgeschehen stelle ich mich schriftlich aber nicht eigentlich. Ich dokumentiere schon das Ablaufende mit Fotos, und beim späteren Betrachten der Fotos fallen mir auch zurückblickende Textkommentare ein. Ein feiner Unterschied zum Blog besteht jedoch in der sozialen Handhabung: Meine ins Netz gestellten Inhalte diskutiere ich mit Freunden und Bekannten aus dem Nahraum. Diese erfahren irgendwann den Link, klicken da hinein und geben sozusagen am Stammtisch vorantreibende Kommentare ab. In die „Bloggosphäre" hingegen verlinke ich mich nicht, schlicht, weil ich einen hundertfachen und überwiegend leerlaufenden Aufwand ahne gegenüber meinem nahraum-orientierten Stil der Netzpublikation. Meine Äußerungen erscheinen monolithisch, mit e-mail-Adresse und Telefon-Angebot, aber ohne die Möglichkeit anonymer Kommentare aus dem Netz. Das Ziel meiner Publikationen ist auch nicht die Netz-Öffentlichkeit. Die sehe ich überwiegend als Piraten, ohne Wärme, ohne Tiefgang. Vielmehr sind meine Homepages anregende Auslagerungen meines Schreibtisches. Im Prinzip bastele ich an Büchern. Dies geschieht dank Computer und Internet öffentlich. Lektorat und Kritik, Ideengeber und Bremse werden ins kleine Netz meiner interessierten Bekannten gegeben. Die Homepages machen sich nie die Mühe, komplett zu sein, und wollen andererseits nicht immer weiter wachsen, sondern sich abrunden und als Buchgrundlage fertig werden. Ich sage, dass ich blogge, damit der Ball flach fliegt und niemand das erwartet, was ich anstrebe: Bücher. Es gibt keinen offiziellen Plan zur Nutzung meiner Fotos und Texte hinter dem Gratis-Wurf ins Internet. Die Welt des Verschenkens von Inhalten und die Welt dessen, was dann Geld kostet, versuche ich zu trennen. Hintereinander will ich das lagern: Lest und kommentiert meine Internet-Seiten. Später gibt es das geld-kostende Evolutionsprodukt davon, nennen wir es „Buch". Das soll vom Willen des Autoren her nicht gratis im Internet zu holen sein. Schrittweise nun ist seit 2004 an mich eine Art des Schreibens herangeflogen, die jetzt gegen Ende 2011 alles belegt. Sie liegt mir an wie eine zweite Haut und ich habe das Gefühl: Dabei bleibe ich. Diese Schreibweise passt zu meinem Denkstil. Der wandert durch eine Perlenkette von Themen, die „eine Seite zum Nachdenken" brauchen, nicht mehr dann, und knapper kann ich es auch nicht. Die Schreibweise hier in "Kunstforscher" und in neueren Ausstellungs-Homepages wie den Kunstcomputer-Seiten hebt vom Tagesgeschehen ab, ist kompakt und nicht plappernd. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist sie für Leser streckenweise schwerverdaulich, zumindest am Bildschirm. Auf Papier gedruckt räume ich dieser Schreibweise Genießbarkeit ein. |
Chris im Herbst 2013: Kein Twitter,
kein Facebook. Kein Versuch, immer Neues nachzuschieben. Die Suche nach
Dauerhaftem auf eigenen Homepages. Ein in juristischen Standard-Formulierungen erfindungsreicher, also durchaus sprachmächtiger Lektor las mir meine Sätze bereits laut in schneckenhafter Langsamkeit vor, um mir zu verdeutlichen, dass er mit ihren Windungen, ihrer Art zu starten und launisch zu enden Probleme hatte. Da gab es un-amerikanisch komplexe Grammatik, Anmaßungen in den verwendeten Vokabeln und Schwerverfolgbarkeit meiner Assoziationsketten, verglichen mit dem „Üblichen". Offenbar verfasse ich Essays, zumeist kürzer als bei Essayisten üblich, aber in Inhalt, Subjektivität und Tempo doch genau eben Essays. Das Wort „Essay" mag ich sowenig wie ich das Wort „Blog" mag, allerdings haben mich Essays - Hans Magnus Enzensberger pflegt diese Form - immer schon fasziniert: „Das Essay ist eine geistreiche Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit seinem jeweiligen Thema. Die Kriterien streng wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden. Essays zählen zu den journalistischen Darstellungsformen." - soweit die Definition von Wikipedia. Ich fürchte um meine Leser, aber ich bade persönlich am liebsten da drin: In der Textform des kurzes Essays, in der Bauform mit Fotos, die alle Internet-Publikationen ab 2011 bei mir nun pflegen. Meine Homepages reichen aber nun mal zurück bis 1998... „Hyperkino" hat die besten Aussichten, so zu bleiben, wie es schon damals war. Da finden sich "klassische" Experimente zum Beantworten der Fragen: Wie verkaufe ich den Bildern ihren Textkommentar, wie verkaufe ich begleitend zu einem Text ein Bild? Einen bildlastigen „Kalender" einerseits und zwölf Bild-Text-Gedichte andererseits habe ich 1998 erstellt. Hier in „Nomadenkunst" dreizehn Jahre später bewegen sich die Bild-Text-Kombinationen auf Augenhöhe zueinander. Mein Format grenzt sich von Blogs, allgemein von schicken Baukastenseiten ab. Ich bin mir derzeit sicher, dass ich im Internet meine Form des Darstellens gefunden habe. |