Chris   Mennel
KUNST

Medienkunst
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   Medienkunst - was war das?

Einmal wollte ich es wissen und versammelte Produktionsgerät um mich. Zwei Hi-8-Kameras, Lampen und Stative, Fernsehgeräte in allen Größen. Am Boden stehen drei Videoplayer. Hinter meinem Knie dann das zum Filmbearbeiten genutzte "Video Genie". Alles analoge Geräte, alles Schnee von gestern. "Gestern" liegt in dieser Zeit der Umstellung der Medientechnik von analog auf digital verblüffend nah beisammen: Was 1996 beste Ware war, ist 2006 out.
  

Ja, was WAR das. Die digitale Revolution hat etwa zwischen 1998 und 2008 die Sonderarbeit und Sonderrolle des Medienkünstlers davongespült. Es gibt für jeden Künstler heute Beamer, Plasmabildschirme, Computer und das Internet. Zurück bleibt eine Buddhafigur, die meditierend vor einem Fernseher sitzt, der solange endlos eine brennende Kerze zeigt, wie das Fernsehgerät und die Abspieltechnik funktionieren. Dieses Frühwerk von Nam Yune Paik pointiert ansatzweise den zweiten Grund, der die Medienkunst als solche davonspülte: Sie ist technisch anspruchsvoll, zerbrechlich und schwer zu verkaufen. Wer Kunst verkaufen will, ist von der Kundschaft zurückgepfiffen auf Originalgemälde, nichtelektrische Objekte und - mit leichtem Stirnrunzeln - Fotografie. Bitte keine Kunst mit Zeitachse, wie Film oder Hörspiel. Bitte keine Kunst, die nur in abgedunkelten Räumen funktioniert. Am liebsten Kunst, die auch mal schlechtes Wetter verträgt.

Für mich begann Medienkunst mit der GIGA 1993, gipfelte in den drei Kölner Hyperkinos 1996-1998 und endete 2009 mit dem "Media Space". Diese GIGA 1993 in Stuttgart steigt mittlerweile anhand verbleibender Erinnerung bei den Beteiligten als größtes Ereignis der Medienkunst in der Region empor. Damals war die GIGA ein Spaß, bei dem jeder dachte, es geht präziser und gründlicher so weiter. Denkste. Sie fand zur richtigen Zeit am richtigen Ort statt, sie flog ihrer Startintention - der staatlich finanzierten Landesgartenschau Stuttgart ein Underground-Komplement vor die Nase zu setzen - weit davon, sie versammelte die damaligen Künstler und auch alles Publikum, und sie erwies sich als ein so kraftzehrendes Werk, wie das zerstreute Volk der Kunstmacher Stuttgarts es nicht wieder auch nur zu beginnen wagte.

Die Peripherie an Helfern und fast alle Künstler arbeiteten nur kurz für die GIGA zusammen und traten nicht dem impulsgebenden Verein "Wand 5" bei. Bleibt also die GIGA als solches, das Spontanwerk der Medienkunst bei bestem Wetter, im Stuttgarter Waldheim, mit „Schnitzel Nr. 69 bitte kommen", mit Rikscha-Fahrrädern zum Bus, dem "Tiefenbronner Madenrennen", um mal mit Seitlich-Erstaunlichem zu beginnen - und zwischendrin 20 Performances, 40 Filme, 10 Computer (1993!!) und 30 Fernseh-Monitore. Das sind „gefühlte Zahlen", ein Buchhalter mag mich belehren, dass es weniger Computer und bitte doch auch einige Diashows waren.

Dabei bei der GIGA also war auch ich. Mit selbst hergeschleppten Röhrenmonitoren, geliehenem Computer mit Nadeldrucker, einer Diashow. Dokumentierend das Geschehen mit Videokamera, zeitweise Moderator der Ereignisse... und alles, was ich da tat und wie ich es tat, geschah für mich zum ersten Mal. Ein privater Urknall. Mein Begriff, was Medienkunst ist und was sie leisten kann, teils am Tage und voll in der Nacht, wurde im Stuttgarter Waldheim geboren, unter Verzehr des Schnitzels Nr. 69.

Und das ist nun, wo ich hier in den Unterlagen wühle, fünfzehn Jahre her. Es schlossen sich drei Riesenmedienkunstunterfangen in der Stadt an, die ungefähr meinen Dialekt spricht: Köln. Hyperkino. Das tingelte dann noch durch Heidelberg, virtualisierte sich in Münster, und zerstückelte sich pragmatisch bei späteren Medienkunstevents. Aufstieg und Fall der Medienkunst, und mittendrin Hyperkino, für mich natürlich das EINE Zeitlose, das Matterhorn einer Kunstphase.

Ausgerechnet mit dem prallen Zitat vieler Kunstformen, im Rahmen meines Engagements für eines in braver Medienkunsttradition „Media Space" genannten Events, ging für mich privat 2009 eben die Medienkunst zu Ende. Als die Medienpflanzen sprossen, haben wir sie bestaunt und begossen. Jetzt sind sie ein Dschungel. Wir futtern sie, wir füttern sie. Sie sind in selbst nachwachsender Masse um uns, und die pure Präsenz von Medientechnik kann kein Reservat der Künstler mehr sein.

Das muss auch nicht sein. Im Jahr 2009, in dem - in Deutschland nur kurz - der Schnelltratschservice „Twitter" beliebt ist, drängt die Möglichkeit für jeden, aktuell zu sein, als Pionierfeld in den Vordergrund. Drängt sich das nachlässig-selbstverständliche Handhaben moderner Erstellungs- Präsentations- und Kommunikationstechniken in den Alltag. Es drängt, ach ich weiß nicht wohin, aber vor allem sehe ich, wie sehr es auch zurückdrängt zu Originalbild und Skulptur. Die Medienkunst hat sich ausgedrängt und ihre schönsten Exemplare bekommen Rahmen und Datum. Ich war dabei. Ich habe "Hyperkino" erfunden. Satt verlasse ich das Schlachtfeld.