Ja, was WAR das. Die digitale Revolution hat etwa zwischen 1998 und 2008 die
Sonderarbeit und Sonderrolle des Medienkünstlers davongespült. Es gibt für
jeden Künstler heute Beamer, Plasmabildschirme, Computer und das Internet. Zurück
bleibt eine Buddhafigur, die meditierend vor einem Fernseher sitzt, der solange
endlos eine brennende Kerze zeigt, wie das Fernsehgerät und die Abspieltechnik
funktionieren. Dieses Frühwerk von Nam Yune Paik pointiert ansatzweise den
zweiten Grund, der die Medienkunst als solche davonspülte: Sie ist technisch
anspruchsvoll, zerbrechlich und schwer zu verkaufen. Wer Kunst verkaufen will,
ist von der Kundschaft zurückgepfiffen auf Originalgemälde, nichtelektrische
Objekte und - mit leichtem Stirnrunzeln - Fotografie. Bitte keine Kunst mit
Zeitachse, wie Film oder Hörspiel. Bitte keine Kunst, die nur in abgedunkelten
Räumen funktioniert. Am liebsten Kunst, die auch mal schlechtes Wetter
verträgt.
Für mich begann Medienkunst mit der GIGA 1993, gipfelte in den drei Kölner
Hyperkinos 1996-1998 und endete 2009 mit dem "Media Space". Diese GIGA
1993 in
Stuttgart steigt mittlerweile anhand verbleibender Erinnerung bei den
Beteiligten als größtes Ereignis der Medienkunst in der Region empor. Damals
war die GIGA ein Spaß, bei dem jeder dachte, es geht präziser und gründlicher
so weiter. Denkste. Sie fand zur richtigen Zeit am richtigen Ort statt, sie flog
ihrer Startintention - der staatlich finanzierten Landesgartenschau Stuttgart
ein Underground-Komplement vor die Nase zu setzen - weit davon, sie versammelte
die damaligen Künstler und auch alles Publikum, und sie erwies sich als ein so
kraftzehrendes Werk, wie das zerstreute Volk der Kunstmacher Stuttgarts es nicht
wieder auch nur zu beginnen wagte.
Die Peripherie an Helfern und fast alle Künstler
arbeiteten nur kurz für die GIGA zusammen und traten nicht dem impulsgebenden
Verein "Wand 5" bei. Bleibt also die GIGA als solches, das Spontanwerk der Medienkunst bei bestem
Wetter, im Stuttgarter Waldheim, mit „Schnitzel Nr. 69 bitte kommen", mit
Rikscha-Fahrrädern zum Bus, dem "Tiefenbronner Madenrennen", um mal mit
Seitlich-Erstaunlichem zu beginnen - und zwischendrin 20 Performances, 40 Filme,
10 Computer (1993!!) und 30 Fernseh-Monitore. Das sind „gefühlte Zahlen", ein
Buchhalter mag mich belehren, dass es weniger Computer und bitte doch auch
einige Diashows waren.
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Dabei bei der GIGA also war auch ich. Mit selbst hergeschleppten
Röhrenmonitoren, geliehenem Computer mit Nadeldrucker, einer Diashow.
Dokumentierend das Geschehen mit Videokamera, zeitweise Moderator der
Ereignisse... und alles, was ich da tat und wie ich es tat, geschah für mich
zum ersten Mal. Ein privater Urknall. Mein Begriff, was Medienkunst ist und was
sie leisten kann, teils am Tage und voll in der Nacht, wurde im Stuttgarter
Waldheim geboren, unter Verzehr des Schnitzels Nr. 69.
Und das ist nun, wo ich hier in den Unterlagen wühle, fünfzehn Jahre her.
Es schlossen sich drei Riesenmedienkunstunterfangen in der Stadt an, die
ungefähr meinen
Dialekt spricht: Köln. Hyperkino. Das tingelte dann noch durch Heidelberg,
virtualisierte sich in Münster, und zerstückelte sich pragmatisch bei
späteren Medienkunstevents. Aufstieg und Fall der Medienkunst, und mittendrin
Hyperkino, für mich natürlich das EINE Zeitlose, das Matterhorn einer
Kunstphase.
Ausgerechnet mit dem prallen Zitat vieler Kunstformen, im Rahmen meines
Engagements für eines in braver
Medienkunsttradition „Media Space" genannten Events, ging für mich
privat 2009 eben die Medienkunst zu Ende. Als die Medienpflanzen sprossen, haben wir
sie bestaunt und begossen. Jetzt sind sie ein Dschungel. Wir futtern sie, wir
füttern sie. Sie sind in selbst nachwachsender Masse um uns, und die pure
Präsenz von Medientechnik kann kein Reservat der Künstler mehr sein.
Das muss auch nicht sein. Im Jahr 2009, in dem -
in Deutschland nur
kurz - der Schnelltratschservice „Twitter" beliebt ist, drängt die
Möglichkeit für jeden, aktuell zu sein, als Pionierfeld in den Vordergrund.
Drängt sich das nachlässig-selbstverständliche Handhaben moderner Erstellungs- Präsentations-
und Kommunikationstechniken in den Alltag. Es drängt, ach ich weiß nicht wohin, aber vor
allem sehe ich, wie sehr es auch zurückdrängt zu Originalbild und Skulptur. Die
Medienkunst hat sich ausgedrängt und ihre schönsten Exemplare bekommen Rahmen
und Datum. Ich war dabei. Ich habe "Hyperkino" erfunden. Satt verlasse
ich das Schlachtfeld.
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