Nomadenkünstler in meinen Sinne ist, wer in konkreten Ergebnissen in
mehreren Bereichen glänzt. Bei mir geschah dies nicht durch Absicht - „Ich
mache jetzt Lehr- und Wanderjahre" - sondern durch Ausschlagen: „Ich
mache nicht, was ihr vorschlagt". Bei mir wächst Nomadenkunst durch
Respekt und Vergnügen am eigenen Potential. „Fünf Gründe, Kunst zu
machen" habe ich entwickelt: Weiterspielen im Gestus der Kindheit -
Therapie vorantreiben in einer instinktiven Weise, der Therapeuten nicht
gewachsen sind - erotische Partner anlocken und vernaschen - den fremden, von
außen herangetragenen Religionen eine subjektive Religionskonstruktion
entgegenbauen - und ja, dann, vielleicht, latent: Um Geld mit Kunst zu
verdienen.
In meiner bisherigen Bilanz, 2011, sehe ich bei meiner Kunstproduktion fünf
Prozent Poltisches, fünfzehn Prozent kümmern sich um Erotisches. Diese zwei
Bereiche dürfen sich ausweiten. Meine überwiegende Produktion wächst aus
Training, Dialog und Spiel. Training und Spiel dürfen sich beruhigen.
Der innere Antrieb des Nomadenkünstlers schweift, lässt sich vom Zeittrend
schubsen, aber nicht binden, blickt gegen den Strom auch zurück, betreibt
geschmacksbezogenen Eklektizismus statt kopfgesteuerter Selektion, ist skeptisch
gegen väterliche Tipps und mütterliche Ratschläge. Dieser innere Antrieb
bezieht sich direkt auf das eigene künstlerische Ego und nicht auf indirekte
Überlegungen wie z.B. „Was darf ich gut finden?" „Wo könnte meine
Kunst Applaus erhalten?" Er kultiviert die Kunst, bei seiner eigenen
Entscheidung und durchaus auch deren Wanderung zu bleiben in einem Umfeld aus
angeblich Vorausentschiedenem. Der Antrieb des Nomadenkünstlers ist in kontrollierter Weise pubertär.
Nomadenkunst tritt ohne Gitter in Dialoge. „Gitter" sind Gedanken wie
„Passt das zu meinem schon vorhandenen Angebot?", „Ist das etwas, das
sich anderswo schon bewährt hat, von dem geredet wird, das fremdes Lob erhielt?".
Stattdessen zählt der innere Beifall, den man einem Angebot zollt,
zählt Neugier, die
geweckt ist: Und los geht der Dialog als Künstler zum als Kunstwert erachteten
Produkt, zum künstlerisch interessierenden Menschen. Bei mir zum Beispiel gibt
es so allgemeine Neigungen wie „Eher das Pralle als das Karge"; „Ein
Kunstwerk muss aus sich heraus wirken und selbsterklärend sein können";
„Plumpes und Kitschiges ist oft klüger als Intellektualistisches" und
die von Bekannten schon vergnügt zitierte, von mir aufgeworfene Behauptung „Kunst muss
politisch sein oder erotisch, alles andere bleibt belanglos".
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Nomadenkunst hat ein von der Nischenkunst verschiedenes Verkaufsproblem:
Nomadenkunst hat mehr Chancen, aber keine großen. Nischenkunst setzt auf die
eine Chance und verdorrt zumeist. Nomadenkunst und Nischenkunst muten an wie
Urwald contra Plantage.
Die hier von mir polarisierten Begriffe „Nomade" und „Nischenbewohner"
sagen nichts Direktes über den Kunstinhalt. Sie formen aber eine
Vorauserwartung: Das, was ich frontal oder nebenbei zufällig von dir an Kunst
sehe, sagt nur einen Teil über dein Ganzes aus - beziehungsweise bei
Nischenkünstlern: Auch Fragmente von dir berichten über dein Ganzes.
Der Nischenkünstler ist präsentierbar und verfolgbar. Er ist der angebliche
Star und der heimliche Depp der Galeristen, der Journalisten und der
Professoren.
Als Nomadenkünstler bin ich Herr meines Wanderweges geblieben, niemandes
Star oder Depp. Eine Handvoll Lagerstätten habe ich selbst gegründet: Meine
„Museen". An einem Dutzend Standorten war ich zu Gast und habe
mitgewirkt.
Historisch gab es stets Nomadenkünstler, und ich
staunte, als ich die
deutsche Domain für diesen Begriff 2011 reservieren konnte: Der ewig zitierte
Leonardo da Vinci verschaffte sich schon zeitlebens Anerkennung, und Künstler
der Moderne von Bauhaus bis Dada mischten sich in vieles ein. Bei
Charlie Chaplin mache ich darauf aufmerksam, dass er auch die ganze Filmmusik seiner
Filme komponiert hat. Picasso hat ein originelles Bühnenstück geschrieben. Bei
Dennis Hopper verschob sich die öffentliche Wahrnehmung noch zu Lebzeiten vom
Schauspieler auf seine Fotos. Marilyn Manson und Who-Bassist John Entwistle
zeichnen.
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