Chris   Mennel
KUNST

Recycling
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Ein Werk braucht einen großen Umfang. Dann aber und endlich darf es sich im Kreise drehen.

Ein Kurzfilm oder ein Musikstück sind in den meisten Fällen über eine Zeitspanne von fünfzig Jahren hinweg nicht zeitgebunden. Da wird kein amtierender Präsident erwähnt. Da wird kein bald veraltetes technisches Gerät ins Bild gehoben. Da muss dann eben auf die Mode verzichtet werden, die erkennbar eine Zeitströmung spiegelt. Man trägt extreme oder ganz neutrale Kleidung und zeigt jederzeit taugliche Bauten. Die meisten Kurzfilme, Bilder und Musikwerke können zehn Jahre später als „neu“ veröffentlicht werden und passen in die Situation zehn Jahre später auch wieder hinein. Ihre Rezeption zum Zeitpunkt ihrer Erstveröffentlichung ist im Vergleich zur möglichen Rezeption in der Welt gering, so dass andere Personen nun diesen Bildern, Filmen und Klängen begegnen können.

Ein Künstler kann bewusst trennen zwischen Werken, die er in einen Zeitbezug stellt - und die er dann später als historisches Dokument präsentiert - und Werken, die er freistellt von aktuellen Zeitbezügen. Solche freigestellten Werke kann er in sein lebenslanges Universum einfügen. Er kann sie zeigen, dann eine hinreichende Zeit verfließen lassen, und erneut als neue Werke aus der Taufe heben.
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Es reicht für einen Künstler, genügend Werke zu schaffen, die so weit zeitenthoben sind, dass sie während seiner Lebenszeit einem jeweils wechselndem Personenkreis stetig als „neu“ angeboten werden können. Er muss einen Zyklus relativ zeitenthobener Werke schaffen, die er periodisch - mal alle zwei Jahre, mal alle zehn Jahre - als „neu“ propagiert. So lange er vor einem kleinen Kreis publiziert, wird dieser Kreis nach einiger Zeit weitergewandert sein, und er zeigt seine gleichen Werke, ohne dass es auffällt, vor einem anderen kleinen Publikum.

Bei größeren Kreisen, denen der Künstler seine Werke präsentiert, bin ich überzeugt davon, dass man mit kleinen Tricks „neuen Wein in alte Schläuche“ füllen kann. Das Angebot eigener Werke während der eigenen Lebenszeit zu recyclen ist mit wachsendem Umfang solcher Werke eine zunehmend sinnvoller Teil der Präsentation eigener Werke. Aus psychologischen Gründen ist dem Publikum wichtig, dass es ein Angebot „neu“ zu Gesicht bekommt. Dieser Wunsch muss und kann bedient werden.

Ja, das Publikum. Es will bei der Premiere dabeisein. Es will sich als Pionier erleben. Wenn wir ihm das geben, obwohl wir eine Wiederholung anstreben, beginnen wir uns rundum zu erheben.
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19.3.2015

Fotos: Chris macht kleine Witze mit zwei selbst hergestellten Buttons - das sind mit einer Nadel ansteckbare, über dem Papier mit Folie überzogene, in einer Button-Presse hergestellte Blechscheiblein.