Chris   Mennel
KUNST

Odyssee
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Glück, Zynismus, Hadern, ein unterhaltsames Leben: Facetten des Nomadentums

„Ich bin stationär". „Ich will überhaupt nicht wandern". „Ich bin konsequent und treu". Denke zumindest ich. Doch da ist eine zweite Spur: „Jetzt habe ich das ausgereizt. Was soll da noch kommen?" „Das ist nahezu perfekt. Das kann vielleicht noch mehr werden. Aber besser schafft es nicht mehr zu werden." „Das ist rund, das ist jetzt einen Bogen gelaufen, und das ist groß so."

Linus Torvalds sagte sowas irgendwo bei der Version 2.6 des Kernels seines Betriebssystems Linux: „Klar gibt es Gründe, gar Zwänge, Linux weiterzuentwickeln. Aber jetzt im Moment ist es durchschaubar, kompakt, und läuft enorm sicher - das wird bei der Weiterentwicklung verlorengehen." Bedauern schwang in seiner Stimme mit - behaupte ich.

Zu diesen Nomaden gehöre ich: Die sich mit Bedauern bewegen. Sie streichen der verflossenen Freundin traurig über das Haar. Sie pflegen Wegstationen mit Liebe: Warum konnte ich da nicht bleiben? Sie wissen jedoch: Ihre Lebensstationen konnten ihnen kaum mehr schenken als das, was sie ihnen eben geschenkt hatten.

Ein Ding, ein Angebot, eine Situation hat eine bestimmte Fülle. Eine Qualität und eine Quantität, und mehr steckt nicht drin. Wenn ich einen Lebensraum betrete, erschließt sich mir blitzartig eine frühe Ahnung, was seine Substanz ist: Wie groß, wie lang, wie wichtig für mich.

Überhaupt die Zeiten, in denen man einen Lebensraum betritt: Eine Liebschaft. Einen Workshop. Eine künstlerische Technik und Richtung. Eine Reise in eine neue Region. Einen Beruf. Ein Studium. Ein Zimmer, das man bezieht, mit einem Ort drumherum, den man nicht kennt. Den Versuch einer Ehe. Die Gründung, das Proben und die ersten Auftritte einer Band. Das ist alles so gigantisch!

Lass es uns langsam, ganz langsam, das erste Mal tun. Wo es intensiv ist, da lass uns versuchen, lange dabei zu sein. Bis zur Erschöpfung versuche ich die Phasen der Naivität, der professionellen Unschuld zu dehnen. Denn sie sind jeweils einmalig. Nichts wird später über ihre Größe hinausgehen. Die Macken, die Fehler, die Trampelei sind dabei. Sie sind schlecht verkaufbar, aber innerlich werden sie fünf oder acht oder zehn von zwanzig Stufen sein, die sich überhaupt gehen ließen: Die Phasen des Eroberns, des Beginnens, des Staunens und erstmaligen Genießens.
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Das hier ist ein Blütengeschenk, das nur wenige Tage im Jahr so bleibt - sagen wir, ein Hundertstel des Jahres, also 3,65 Tage während des Frühlings: Die Bäume in der Marbacher Straße in Zuffenhausen blühen, haben aber noch keine Blätter.

Passend ist hier die sonstige Symbolik: Dieses grüne Rondell, ein Inselchen im Asphalt. Das Stationäre des Baums: "Hier muss ich klarkommen". Ein "Anderswo" gibt es nicht. "Und soeben schlägt meine Stunde als Baum: Ein kurzer explosiver Moment voller rosiger Blüten. Davor ist Kahlheit, danach kommen Blätter. Nur jetzt, nur hier, und dann lange nicht: Stehe ich mit schönem Gesicht."