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Der Tarnung der modernen Kunst dient der 
Kunstjournalismus. Er ist aber nur 
pseudo-wortgewandt und auf sinnlose Weise 
bewandert in den Namenstonnen des Kunstmarktes. In Hinblick auf Bildung 
außerhalb des Kunstmarktes, in Hinblick auf effektives Begreifen eines Inhaltes 
„klappert das Geschirr“ beim Kunstjournalismus.  Uff. Welch 
eine Betrachtungsweise. Und sie erleichtert mich. Neun von zehn Versuchen, 
moderne Kunst auf ein Tableau zu heben, neun von zehn Versuchen, mitzudenken bei 
einem kunstjournalistischen Artikel führen bei mir zu Ächzgeräuschen. Durchaus 
habe ich wunderbare Artikel über moderne Kunst und den Kunstmarkt gefunden, 
plötzlich, verstreut, nicht sich erhebend über das Fliegengesumm ihres Umfeldes. 
Und natürlich stehe ich selten, aber durchaus vor einem modernen Kunstwerk, das mich fassunglsos macht, berührt, packt, mitnimmt, anspricht. Aber die 
moderne Kunst erscheint mir nach all den Kauversuchen nicht mal als ein Kuchen, 
in dem in sinnvollem Anteil Rosinen zu finden sind. Eher sehe ich mich vor einen 
Teich gestellt mit quakenden Fröschen und einigen flachen hübschen Seerosen: 
Provozierender Klang, zeitweilig netter Anblick. Nährwert für einen Menschen: 
Zunächst Null. Ich habe im Leben nur einmal Froschschenkel gegessen und fand sie 
geschmacklich nicht herausragend. Was mir als moderne Kunst verkauft wird, 
liegt 
bei mir am Rande des Tellers. 
Moderne Kunst ist für Künstler und Konsumenten eine mystisch verbrämte 
Aufforderung, sich Mühe zu machen. Der handwerkliche Anteil war hingegen bei 
klassischer Kunst eine Zwangsaufforderung. Bei klassischer Kunst war und ist das 
Gefallenmüssen ohne Kunstjournalisten bei wohlhabenden Auftraggebern dann das 
zweite Kriterium - von der Kirche bis zum Bürger, von den Pyramiden bis zu 
Neuschwanstein: So sah sie aus und sieht sie aus, da kommt sie zum Zuge, die 
klassische Kunst. Ich ziehe mich dahin nicht zurück. Durchaus 
greife ich an, als Künstler und Kommentator. Erstens aber schiebe ich die 
moderne Kunst in eine Ecke.   
Zweitens bin ich 
für eine  
Steigerungssteuer bei Auktionsobjekten: 
Der Anfangspreis, zu dem der Künstler verkauft hat, ist Maßstab. Wenn 
ausnahmsweise mal der Weiterverkaufspreis zu den Wolken abhebt, so setzt Steuer 
ein. Die Einnahmen aus dieser Steuer dürfen 
nur für 
Kunstschulen 
verwendet werden (siehe meine Bildunterschrift "Gebt 
Arbeitslosen Kunstaufträge" eine Seite zuvor). | Kunstschulen? Ja, drittens bin ich dafür, 
dass Arbeitslosen die Wahl zwischen Lernen von Chemie, Biologie, Physik, 
Informatik, Mathematik, Ethnologie, Psychologie und Philosophie ODER der Besuch 
einer Kunstschule ODER ein Euro-Job gegeben wird. Zuhause sitzen bringt kein 
Arbeitslosengeld. So, das war mal ein schneller Ausflug. 
Zurück zum Ball, der hier gespielt wird: Was 
ist denn nun eigentlich „moderne Kunst“ für mich? wann sehe ich ihren Anfang? 
Den Anfang bildet - ich meine, das besteht kunsthistorischer 
Konsens - das Einschleichen der Fotografie in die Bilder, also ganz sachte ab 1840 
etwa. Da begegnete den Künstlern so etwas wie die Industrialisierung den 
Leinenwebern: O Schreck, mein Handwerk wird übertrumpft. Im aggressiven Fall 
sehen und sahen sich die Künstler dann von der Leine gelassen: 
Ins Improvisieren-Dürfen, ins Schocken. Klassische Kunst hatte und hat offenbar 
erdrückend wenig die Erlaubnis, einfach zu spielen. Einige Werke von 
Pieter Bruegel dem Älteren
und vieles von 
Hieronymus Bosch sind also 
trotzige Dennoch-Spiele - und werden prompt von moderner Kunst höchstgeschätzt. Moderne 
Kunst war Trotz und Spiel. Ich sage „war“. Denn längst überschwemmen die Urenkel 
der Trotzer und Spieler die Szene. Umfassend lehrt die Geschichte, wie sehr 
Pioniertaten sich verändern, wenn sie von der Masse aufgegriffen werden, wie 
erfolgreiche Folgen von Pionierleistungen ihre Pioniere befremden. Die heutige 
moderne Kunst ist Fleischkäse, nicht Fleisch. Pioniersein ist weiterhin möglich, 
wird aber von den Massen sich modern gebärdender Künstler, Kunstjournalisten und
Kuratoren in klassischer Manier an den Rand gedrückt. Die 
druckhafte Suche nach Neuem führt bei den Enkeln der modernen Kunst zu 
Künstlern, die sich mit irgendwie neuen Gebilden in den Weg stellen wie Schafe 
auf die Straße: Man kommt kaum voran vor lauter abzuarbeitendem emsig erstelltem 
Neuen. Dass für mich neunzig Prozent der Neu-Sensationen gezielt aufgeblasene 
Luftballons sind, wird beim Tenor meines Textes wohl schon klar sein. Ein 
Froschteich, quak quak. |